„Man frage mich nicht, wer ich bin, und man sage mir nicht, ich solle derselbe bleiben: das ist eine Moral des Personenstandes; sie beherrscht unsere Ausweispapiere. Sie möge uns freigeben, wenn es sich darum handelt zu schreiben.“ (Michel Foucault)
♦ Die Arbeiten am Band II meiner „Versionen des Denkens“ haben begonnen. Ob ich am Ende die Systematik des ersten Entwurfs (1. Enttäuschendes, 2. widerständiges und 3. utopisches Denken) beibehalten werde, ist allerdings offen. Die weitgehend enttäuschende Resonanz auf die Veröffentlichung von Band I führt zu einem schriftstellerischen (Selbst-) Widerstand, der die anfängliche Hoffnung, die mit dem Projekt verbunden war, als Utopie erscheinen lässt und eine Modifikation der ursprünglichen Zielsetzung notwendig macht. Die Arbeit ist im Prozess – ein „work in process“ –, und es wäre fahrlässig, diesen Prozess einer ihm nicht gerecht werdenden Struktur zu unterwerfen.
Berlin, Oktober 2022
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Mitteilung
Das von Dirk Quadflieg und mir mit Unterstützung der GPWP (www.gpwp.de) seit Oktober 2018 organisierte Kolloquium zum Seminar von Jacques Lacan wird durch die Arbeit am Seminar XVI: Von einem Anderen zum anderen fortgesetzt. Die Kolloquiumsgruppe setzt sich zu etwa gleichen Teilen aus Interessierten mit Leipziger und Berliner Wohnsitz zusammen. Deshalb finden die Kolloquien abwechselnd in Berlin und Leipzig statt, u. z. am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig und an der Berliner Klinik der Charité für Psychiatrie und Psychotherapie. Gelegentlich finden die Treffen auch per Video-Übertragung statt. Interessenten melden sich bitte per E-Mail.
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Selbst-Reflexion
Wenn ich in meine Augen schaue, sehe ich den – enttäuschenden, widerständigen, mätopischen – Abgrund, der mich von mir trennt. Identität ist nur eine leere Floskel. Jedes Selfie zeigt das. Es zeigt es dem Selbst, das sich fortan nurmehr als prekäres behaupten kann.
Ich sehe das Alter, das diesem Kopf ins Gesicht geschrieben ist, und es erstaunt mich. Es fehlt ihm die Synchronie mit dem Alter, das ich vor meinem geistigen Auge mit mir herumtrage – oder vielmehr, nicht vor meinem geistigen Auge, denn das ist zeitlos endlich, sondern in dem von mir erfahrenen Verhältnis von Geist und Kopf, Seele und Leib…, in dem sich – und nur in ihm, diesem Verhältnis – die Zeit konstituiert.
Ich habe in meinem Buch „Enttäuschendes Denken“ einige Sätze über das Verhältnis von Denken, Schrift und Geist geschrieben: Schrift, habe ich dort behauptet, ist Geist minus Denken. Sie, die Schrift, ist das System des Geistes, das die Strukturalisten und Funktionalisten so vergöttern, aber eben ohne Leben, ohne Existenz: reiner Geist.
So auch hier: So wie die Schrift Geist minus Denken ist, eben reiner Geist, so ist das Selfie Geist ohne Leben. Es, das Selfie, ist die Schrift des Narziss, den die Zeitgenossen und Zeitgemäßen so vergöttern, indem sie ihm nacheifern, aber eben auch hier ohne Leben, ohne Existenz: toter Geist.
Ich habe in meinem Buch auch über das Alter und Älterwerden geschrieben, Sätze, die vor der Konkretheit des Eindrucks, die jetzt meine Selfies auf mich machen, verblassen. Philosophie, habe ich geschrieben, ist Philosophieren in den Zeiten und Räumen unserer Erfahrung. In anderen Zeiten und Räumen ist sie nicht, ist sie nur noch Geschwätz, wie im Übrigen das Meiste heute, das sich Philosophie nennt, auch das, was bis dato aus meiner eigenen Feder stammte.
Und genau da, da ist er wieder, dieser – enttäuschende, widerständige, mätopische – Abgrund, der mich von mir trennt und der es möglich macht, mich mit anderen Augen zu sehen als mit denjenigen, die mir jetzt in meinen Selfie-Augen entgegenstarren.
Postscriptum ad caput mortuum:
Ja, meine Augen starren mich an, sie sind starr wie der Tod, und in diesen Tod, der sich schon im Leben ankündigt, blicke ich. Wir haben uns schon so sehr daran gewöhnt, in die starren Augen unserer Selfies zu blicken – im trügerischen Glauben, wir könnten darin die Augenblicke unseres Lebens festhalten -, dass wir in ihnen überhaupt nicht mehr den Tod erblicken, dem wir uns doch auf diese Weise ergeben. Insofern sind wir alle immer noch – und immer wieder – Kinder eines gewissen J. W. v. Goethe: „Verweile doch, du bist so schön“.
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Mitteilung
Es ist so weit: Der erste Band meines dreiteiligen Buchprojektes „Versionen des Denkens“, an dem ich in den letzten acht Jahren neben meiner Dozenten-Tätigkeit gearbeitet habe, ist im Parodos Verlag erschienen. Der Band kreist um das Thema Enttäuschung und trägt den Titel „Enttäuschendes Denken“. Die beiden Folgebände werden sich den Themen Widerstand („Widerständiges Denken„) und Hoffnung („Utopisches Denken“) widmen. Neben der Ankündigung des Buches hat der Verlag auf seiner Website das Inhaltsverzeichnis des Buches sowie einen 25-seitigen Textauszug zur Verfügung gestellt. Wer sich dafür interessiert, kann hier fündig werden.
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Ältere Mitteilungen
♦ Mein bereits seit längerem angekündigtes Buch: Versionen des Denkens – Version I: Enttäuschendes Denken, ist mittlerweile erschienen (vgl. die Mitteilung oben). Aufgrund der Corona-Epidemie musste die Veröffentlichung leider immer wieder aufgeschoben werden. Mittlerweile haben aber auch schon die Arbeiten am zweiten Band der Trilogie begonnen. Ich gehe von einem Abstand von zwei bis drei Jahren zwischen den einzelnen Bänden aus. Das mag einem Außenstehenden lange vorkommen, aber für mich ist das eine kurze Zeit, zumal ich nicht mehr der Jüngste und festen Willens bin, alle drei Bände auf den Weg zu bringen. (August 2021)
♦ Aufgrund der Corona-Epidemie musste das Philosophiefestival „Ein Fest der Wiederholung“ in Naumburg, an dem ich mich mit einem Beitrag zum Thema der Wiederholung aus philosophisch-psychoanalytischer Perspektive beteiligen wollte, abgesagt werden. Möglicherweise findet das Festival aber im kommenden Jahr (2021) statt.
♦ Ein wichtiger Text von mir über Zeiterleben ist jetzt (September 2020) endlich im Kohlhammer Verlag in einem Sammelband erscheinen (Link: hier).
♦ Mein lange angekündigter Text „Das Böse in der Philosophie“, im Juni 2018 in der Zeitschrift ‚Psychotherapie im Dialog“ erschienen, ist jetzt auch online lesbar: hier.
♦ Ich beteilige mich an einem kleinen Forschungsprojekt zum Thema „Zeiterleben“. Ein erstes Resultat der Arbeit findet sich hier, ein zweites hier, ein drittes hier und ein viertes hier.
♦ Vor einiger Zeit habe ich mich an der Medizinischen Hochschule Brandenburg auf Einladung von Prof. Dr. M. Heinze an einer Seminardiskussion beteiligt, in der es um das Verständnis von Freiheit bzw. Selbstbestimmung im medizinisch-psychiatrischen Diskurs ging. Meine Diskussions– bzw. Vortragsgrundlage ist hier online einsehbar.
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Mittlerweile ist der Sammelband zur Tagung in Erinnerung an Bernd Heiter von 2017 „Leute zuRechtmachen. Praktiken der Formierung des Menschen in der politischen Gegenwart“ im Parodos-Verlag erschienen. Der Band gliedert sich in zwei Teile. Jeder Teil wird durch einen Text von Bernd Heiter eröffnet, der durch den unmittelbar folgenden Beitrag kommentiert und dessen Thema durch die jeweils anschließenden Beiträge vertieft wird. Die Autoren der Beiträge sind: Th. Billmeier, S. Guski-Leinwand, W. Heuer, U. Heuner, Chr. Kupke, St. Rosenmüller, R. Sonderegger und N. Trcka. Herausgegeben habe ich den Band gemeinsam mit Chr. Kurth und St. Rosenmüller.
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Im Oktober 2018 begann ein von Dirk Quadflieg und mir mit Unterstützung der GPWP (www.gpwp.de) organisiertes Kolloquium zum Seminar von Jacques Lacan, Buch XI (1964): Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Die Kolloquiumsgruppe setzt sich zu etwa gleichen Teilen aus Interessierten mit Leipziger und Berliner Wohnsitz zusammen. Deshalb finden die Kolloquien abwechselnd in Berlin und Leipzig statt, und zwar an folgenden Samstagen, jeweils um 14.30 Uhr: 13.10.18 (Leipzig), 3.11.18 (Berlin), 8.12.18 (Leipzig), 12.1.19 (Berlin) und 23.2.19 (Leipzig), 13.4.19 (Berlin), 11.5.19 (Leipzig), 15.6.19 (Berlin), 20.7.19 (Leipzig), 21.9.19 (Berlin), 26.10.19 (Leipzig), 16.11.19 (Leipzig) und 11.1.19 (Berlin). Weitere Termine folgen. Ort der Treffen in Leipzig: Seminarraum des Instituts für Kulturwissenschaften, Gebäude des GWZ („Geisteswissenschaftliches Zentrum“), Beethovenstraße 15, Raumnummer H5 1.16. Ort der Treffen in Berlin: Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin, Seminarraum, auch: „Bonhoefferraum“. Interessierte melden sich bitte per E-Mail.
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Am 16.9.17 fand im Berliner BIPP (Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse e.V.) eine von mir mit organisierte Tagung der GPWP statt. Sie widmete sich dem Thema „Leute zurechtmachen. Praktiken der Formierung des Menschen in der politischen Gegenwart“. Der Titel ging auf einen Text meines im letzten Jahr verstorbenen Freundes und Kollegen Bernd Heiter zurück. Wir, Thilo Billmeier, Ulf Heuner, Christoph Kurth, Stefanie Rosenmüller, Nina Trcka und ich, wollten ihn mit dieser Tagung ehren. Ein Buch mit den Vorträgen der Genannten sowie von Wolfgang Heuer, Susanne Guski-Leinwand und Ruth Sonderegger ist in Vorbereitung. Es wird im Parodos Verlag Berlin in der Reihe erscheinen, in der bisher auch alle anderen GPWP-Bände erschienen sind.
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Im November 2016 ist ein Sammelband erschienen, an dem ich als Herausgeber und Autor mitgearbeitet habe: Freiheit zwischen Normativität und Kreativität, hrsg. v. I. Eckle, M. Heinze et al., Berlin 2016. Das Buch ist im Parodos Verlag erschienen. Es dokumentiert die Jubiläumstagung der GPWP, die am 9. und 10. Mai 2014 aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der Gesellschaft stattfand. Autoren des Bandes sind (in der Reihenfolge der Beiträge): Dirk Quadflieg, Milan Prucha, Rudolf Bernet, Stefanie Rosenmüller, Klaus Leferink, Joachim Küchenhoff, Emil Angehrn und Kai Vogeley. Ich selbst bin mit dem Beitrag vertreten: „Versuch über die Möglichkeit und die Unmöglichkeit von Freiheit. Entwurf eines relativistischen Freiheitskonzepts.“ Außerdem findet sich im Anhang mein Einleitungs-Vortrag abgedruckt, den ich anlässlich der Tagung gehalten habe und den man online auch als Blogbeitrag unter dem Titel Nach zwanzig Jahren nachlesen kann.
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Viele meiner Texte sind in wissenschaftlichen Sammelbänden veröffentlicht worden (vgl. die Bibliographie). In den letzten Jahren habe ich mich jedoch anderen, mehr essayistischen Formen des Schreibens zugewandt. Bei Interesse an solchen Texten von mir verweise ich auf meinen Blog Philosophische Notizen.
Online abrufbar sind darüber hinaus von mir z. Zt. folgende Texte:
- zwei Texte zu Lacan und Kristeva:
- The conflicts of the obsessional neurotic, in: The Symptom, Issue 1, Autumn 2001, http://www.lacan.com/kupkef.htm
- Fertile Thinking or Thinking about the Fertility of Thinking, in: Cincinnati Romance Review, Volume 35, 2013 (Special Issue), http://cromrev.com/volumes/vol35/007-vol35-Kupke.pdf
- zwei Texte aus dem „E-Journal für Philosophie und Psychiatrie“:
- Was ist so unverständlich am Wahn? Philosophisch-kritische Darstellung des Jasper’schen Unverständlichkeitstheorems, in: E-Journal für Philosophie und Psychiatrie, 2008, http://www.jfpp.org/jfpp-1-2008-01.html
- Die Zeitlichkeit biographischer Erfahrung. Für ein erweitertes Verständnis des Biographiekonzepts, in: E-Journal für Philosophie und Psychiatrie, 2011, http://www.jfpp.org/83.html
- und zwei Texte aus dem E-Journal „Philosophie der Psychologie“:
- Metaphysischer Determinismus und naturgeschichtliche Freiheit. Zur gegenwärtigen Debatte über Willensfreiheit und Gehirndeterminismus, in: E-Journal Philosophie der Psychologie, Nr. 6, Oktober 2006, abrufbar unter: http://www.jp.philo.at/texte/KupkeC1.pdf
- Subjekt und Individuum. Zur Bedeutsamkeit ihres philosophischen Unterschieds in der psychiatrischen Praxis, in: E-Journal Philosophie der Psychologie, Nr. 8, Juni 2007, http://www.jp.philo.at/texte/KupkeC2.pdf
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